Symptomträger im Team – Störfaktor oder Erfolgsförderer?

Der kleine Luis verhält sich problematisch. Er stört den Unterricht, ist anderen Kindern gegenüber aggressiv und fügt sich nicht in die Klasse ein. Diese Aussagen möchte wohl kein Elternteil über das eigene Kind hören. Dabei ist Luis eigentlich ein aufgeweckter, fröhlicher Junge – warum wird er jetzt immer mehr zum Problemkind?

Problematisches Verhalten als Signal für Systemstörungen

Wenn Kinder problematisches Verhalten an den Tag legen, fühlen sich Familien oft hilflos und überfordert. Um das Kind schnell wieder „in den Griff“ zu bekommen, wird auf Strafen wie Hausarrest, Handyentzug oder Ähnliches zurückgegriffen – das bleibt jedoch ergebnislos.

Es wird oft vergessen, dass das problematische Verhalten des Kindes ein Signal ist, dass etwas nicht stimmt und es Störungen im Familiensystem gibt. Das „Sorgenkind“ versucht dann unbewusst auszugleichen, was in ein Ungleichgewicht geraten ist. Kinder sind besonders sensibel für die Gefühlslage der Eltern und merken sofort, wenn diese versuchen ein Gefühl zu überspielen oder sich nicht kongruent zu ihren Worten verhalten.

Die Eltern von Luis zum Beispiel stecken seit Monaten in einer Beziehungskrise. Ihre ständigen Streitereien und Spannungen hatten unbewusst auf Luis abgefärbt. Der kleine Junge spürte die Disharmonie zwischen seinen Eltern und versuchte, durch sein auffälliges Verhalten ihre Aufmerksamkeit zu erlangen und sie wieder zusammenzubringen.

 

Übertragbarkeit auf Unternehmen

Ähnlich wie in Familien können auch in Unternehmen einzelne Mitglieder als sogenannte Symptomträger fungieren. Diese Personen zeigen auffälliges Verhalten oder leiden unter emotionalen Problemen, die oft auf systemische Schwierigkeiten im Team oder der Organisation hinweisen.

 

Was ist ein Symptomträger?

In der Systemtheorie wird ein Symptomträger als eine Person definiert, die stellvertretend für das Team oder die Organisation auffällige Symptome zeigt. Diese Person manifestiert Probleme, die eigentlich das gesamte Team betreffen und zeigt häufig auffälliges Verhalten wie häufige Beschwerden, Rückzug oder sogar Aggression.

Ein Symptomträger fühlt sich oft isoliert und nicht ins Team integriert. Er glaubt, dass seine Meinungen und Bedenken nicht gehört oder ernst genommen werden, da er im Team oder bei der Führung keine Unterstützung findet. Er wendet sich daher oft an außenstehende Stellen wie den Betriebsrat.

Die Probleme des Symptomträgers spiegeln oft größere systemische Probleme im Unternehmen wider: schlechte Kommunikation, unklare Rollenverteilung, mangelnde Führung oder ein toxisches Arbeitsumfeld.

 

Sind Symptomträger nur „schwierige“ Mitarbeitende?

Werden Führungskräfte nach ihren zentralen Herausforderungen gefragt, so sind „schwierige“ Mitarbeitende definitiv in den Top 3. Leider wird der Mensch dann selbst zum Problem gemacht – mit seiner Persönlichkeit, Art oder seinen Eigenschaften. Wenn wir tiefer ins Thema gehen, wird deutlich, dass der betreffende „schwierige Mitarbeitende“ nicht das Problem ist, sondern dass er nur (oder zumindest auch) Symptomträger ist. Sein Verhalten spiegelt das Umfeld und die Situation eines größeren Systems wider: eines Teams, einer Abteilung oder des gesamten Unternehmens.

 

Auswirkungen auf das Team

Ein Symptomträger im Team sorgt in der Regel immer auch für eine gewisse Unruhe – so wie Kinder die gesamte Klasse und die Lehrer stören. Da die Probleme nicht dort angegangen werden, wo sie tatsächlich liegen, kommt es nicht selten zu Frustration und Spannung im Team. Auch kommt es zur Ablenkung vom eigentlichen Problem: Das Team und die Führung fokussieren sich möglicherweise nur auf die Symptome, sprich das Verhalten des Symptomträgers.

 

Der Symptomträger als Sündenbock

Anstatt sich auf die tatsächlichen Probleme im Unternehmen zu konzentrieren, wird der Symptomträger gern zum Sündenbock gemacht. Es gilt den Mitarbeitenden mit dem störenden Verhalten loszuwerden, zum Beispiel durch Versetzung oder sogar Kündigung. Das ist jedoch keinesfalls die Lösung, denn früher oder später übernimmt ein anderer Mitarbeitender die Rolle des Symptomträgers und manchmal sogar ein komplettes Team.

 

Strategien zur Auflösung der Symptomträger-Rolle

Um die Rolle des Symptomträgers aufzulösen, ist es wichtig, sich auf die zugrunde liegenden systemischen Probleme zu konzentrieren. Dabei sollten Führungskräfte sich selbst reflektieren und folgende Fragen ehrlich beantworten:

  • Inwiefern spiegelt das Verhalten des Symptomträgers Unzulänglichkeiten in meinem Führungsbereich wider?
  • Gibt es Anteile von mir als Führungskraft, die zum problematischen Verhalten dieses Mitarbeitenden beitragen?
  • Welche Handlungskonsequenzen ergeben sich daraus für mich?

Diese Reflexionen helfen, das eigene Verhalten und die eigenen Einstellungen kritisch zu hinterfragen und notwendige Veränderungen einzuleiten.

 

Fokussierung auf systemische Probleme

Symptomträger sind wichtige Indikatoren für systemische Probleme und sollten daher weniger als Störfaktor, sondern viel mehr als Erfolgsförderer betrachtet werden. Werden die Führungskräfte hinreichend befähigt, das Verhalten richtig zu deuten, führt das dazu, dass sie ihre eigenen Verhaltensweisen und Einstellungen hinterfragen müssen und auch aktiv daran arbeiten, eine offene und konstruktive Kommunikationskultur im Team zu fördern.

Indem der Fokus von der bloßen Symptombehandlung hin zur Lösung der zugrunde liegenden systemischen Probleme verlagert wird, lassen sich langfristig nachhaltige Verbesserungen erzielen. Dies erfordert jedoch Mut zur Selbstreflexion und Bereitschaft zur Veränderung – sowohl bei den Führungskräften als auch im gesamten Team.

Wenn Du mehr darüber erfahren möchtest, wie Du systemische Probleme in Deinem Team identifizieren und lösen kannst, melde Dich gern bei mir.