Emotionen in der Arbeitswelt – wichtiger Innovationstreiber oder lästiges Übel?
„Emotionen haben in der Arbeitswelt nichts verloren“ – dieser Aussage begegne ich noch sehr häufig. In vielen Unternehmen wird davon gesprochen, dass Gefühle im beruflichen Kontext keinen Platz haben und besser „zuhause“ bleiben sollten. Die Sachebene ist die, die zählt. Doch genau diese Haltung ist nicht selten der Grund dafür, dass Unternehmen mit Stillstand, vielen Diskussionen und Konflikten, die das Vorankommen und die Wirksamkeit behindern, kämpfen. Eine Ursache liegt darin, dass wenig miteinander gesprochen wird und somit wichtige Informationen auf der Strecke bleiben.
Um aus dem Stillstand wieder in eine Vorwärtsbewegung zu kommen, braucht es in erster Linie einen Haltungswechsel. Weg von „Emotionen haben auf der Arbeit nichts zu suchen“ hinzu „Wenn man Emotionen zulässt und nutzt, kann auf der Sachebene effizient gearbeitet werden“. Wer es schafft, Emotionen fest im Unternehmen zu integrieren und zu nutzen, wird erleben, dass diese für die Arbeit eine besonders positive Wirkung haben.
Emotionen als Informationsmedium
Seit jeher sind Emotionen das schnellste Informationsmedium der Menschheit. In Bruchteilen von Sekunden ist es uns möglich aus den Emotionen unseres Gegenübers abzuleiten, was bei einer bestimmten Sachlage oder Thematik passiert. Wir erkennen sofort, ob etwas auf Zustimmung oder Ablehnung stößt. Emotionen spielen in unserem Leben eine ausschlaggebende Rolle und beeinflussen maßgeblich unsere Entscheidungen. Denken Sie hierbei nur einmal an die Werbung, die geschickt Emotionen nutzt, damit wir ein bestimmtes Produkt kaufen oder an den Satz „Bei diesem Menschen habe ich ein gutes Bauchgefühl“ nach einem Bewerbungsgespräch. Diese und viele weitere Situationen zeigen, wie wichtig Emotionen sind und welchen Einfluss sie auf uns haben. Emotionen brauchen auch im beruflichen Kontext Raum, denn je stärker diese sind, desto weniger kann sich ein Mensch wirklich auf die effiziente Erledigung seiner Aufgaben, die auf der Sachebene stattfinden, fokussieren. Das betrifft zum einen private Emotionen, wie Verliebtheit oder Sorge um einen Angehörigen ebenso wie berufliche, beispielsweise der Konflikt mit einem Kollegen, der unter der Oberfläche brodelt, aber nie zur Sprache kommt. All das hat Auswirkungen auf die Leistung, Konzentration und Motivation.
Emotionen herauslassen – sonst gibt es Stau
Ähnlich wie bei einem Fluss, der durch einen Damm aufgestaut bzw. blockiert wird, ist es auch mit Emotionen. Wenn diese immer weiter zurückgehalten werden, dann tritt der angestaute Fluss über die Ufer und überschwemmt die Landschaft oder die Fluss-Blockade wird stoßartig vom Wasserdruck gesprengt, sodass das Wasser wieder laufen kann. Beide Situationen kommen dem Unternehmen teuer zu stehen, worauf ich später noch eingehe. Bevor jedoch der Ernstfall eintritt, sollten sich Unternehmen fragen, wie sie Emotionen als wertvolle Informationsquelle nutzen können. Was es hierfür braucht, ist das Auffangen der Emotionen. Die meisten Führungskräfte überzeugen mit fachlicher Leistung, wie aber Menschen mit ihren Emotionen einen wertvollen Nutzen darstellen, ist für viele noch unbekanntes Terrain, kann aber gelernt werden.
Konfliktkosten aufgrund zurückgehaltener Emotionen
Überlegen Sie einmal wie häufig in Ihrem Unternehmen oder Ihrem Team Kritik geübt, Feedback gegeben, sich gemeinsam gefreut oder richtig gestritten wird. Wie oft gibt es auf Misserfolge konstruktive Antworten zu internen Ursachen? In welchen Abständen kommt generell auf die Frage, weshalb etwas nicht funktionierte wie geplant, eine Antwort? Sind diese Antworten zufriedenstellend? Wenn nicht, dann liegt das meist an mangelnder Ehrlichkeit aufgrund von emotionaler Zurückhaltung. Mit ehrlicher Kritik hinsichtlich negativer Themen sind immer auch Emotionen verbunden. Einige davon sind:
- Angst – „Kann ich Kritik am Verhalten der Führungskraft ausüben, ohne dass die Arbeitsbeziehung darunter leidet?“
- Frust – „Ich habe schon so oft auf eine Schwachstelle hingewiesen und nichts ist passiert!“
- Hilflosigkeit – „Ich weiß selbst auch nicht, wie wir das Thema ändern können.“
- Wut – „Ich komme in den Terminen sowieso nicht zu Wort.“
Meist geht es weniger um die Sachlage an sich, sondern vielmehr darum, was unter der Wasseroberfläche verborgen ist. Ist die Kultur eines Unternehmens darauf ausgelegt, Emotionen keinen Raum und außen vor zu lassen, dann stauen sich diese auf. Und dieser Stau führt letztlich zu Blockaden bei Mitarbeitenden. Ist, wie beim oben erwähnten Beispiel, der Fluss bis zum Anschlag gestaut, brechen sich das Wasser, oder in diesem Fall die Emotionen, bahn. Entweder wird das ganze Gebiet überschwemmt oder die Blockade durch Druck gesprengt. In beiden Fällen bedeutet das Chaos. Der Weg zurück zur Normalität nimmt mitunter viel Zeit in Anspruch oder sorgt im schlimmsten Fall sogar dafür, dass der Mitarbeitende das Unternehmen verlässt. Werden Emotionen zum Beispiel immer weiter unterdrückt, dann werden die angrenzenden Flächen mit Konflikten überschwemmt: Andere Mitarbeitende werden integriert, die gesamte Arbeitsatmosphäre wird vergiftet, die Ergebnisse werden schlechter. Oder es kommt für viele wie aus heiterem Himmel zur Explosion. Beides kostet das Unternehmen viel Geld – die sogenannten Konfliktkosten. Die Gefahr hinter diesen Kosten ist, dass sie lange unentdeckt bleiben, wenn sie allerdings auftauchen, wird es teuer, sie wieder zu beseitigen.
Wie kann ein Unternehmen oder Team lernen, Emotionen zu nutzen?
Tipp Nr. 1: Fragen Sie sich, an welchen Stellen es momentan bereits Formate gibt, in denen Emotionen Platz haben und gezielt genutzt werden. In agilen Unternehmen wird hierfür beispielsweise häufig auf Retrospektiven gesetzt. Dafür werden zurückliegende Ereignisse oder Phasen anhand ihrer Emotionen aufgegriffen. Dafür kommen Fragen wie „Was hat das Team/Unternehmen gefreut?“ oder „Was hat uns wütend gemacht?“ zum Einsatz.
Tipp Nr. 2: Wenn Emotionen bei Ihnen im Unternehmen keinen Platz finden und Sie diesen Zustand ändern wollen, dann empfehle ich, Termine mit einem Moderator stattfinden zu lassen. Moderatoren sind ausgebildet, Emotionen von Menschen einzufangen und aufzunehmen, um mit ihnen zu arbeiten. Sie nehmen dabei eine neutrale Rolle ein. Sofern Sie einen internen Moderator nutzen möchten, achten Sie darauf, dass dieser nur die Rolle des Moderators innehat und nicht in einer Doppelrolle fungiert. Der Wechsel zwischen den Aufgaben, als Teilnehmer inhaltlichen Input beizutragen und den Prozess zu moderieren, erschwert den Fokus.
Tipp Nr. 3: Erfahrungen sammeln. Um Emotionen im Berufsalltag zu nutzen, ist Erfahrung nötig. Es braucht einen Wissensaufbau über Gruppendynamiken, die unterschiedlichen Kommunikationsebenen, Detektoren für Missverständnisse und Konflikte sowie Hilfsmittel, um eine gute Kommunikation zu fördern. Bauen Sie Ihren Erfahrungsschatz immer weiter aus, werden mit der Zeit, Emotionen zu einem wichtigen und vor allem nützlichen Teil des Unternehmens.
Tipp Nr. 4: Emotionen auffangen. Oftmals entsteht bei demjenigen, der Emotionen von Kollegen hört eine gewisse Hilflosigkeit oder gar Scham. Der „Emotionsempfänger“ weiß nicht, wie er sich jetzt verhalten, was er tun oder welche Reaktion in dieser Situation angebracht ist. Das erschwert zusätzlich Emotionen zuzulassen. Es braucht ein Gegenüber, das die Emotionen auffängt, ansonsten verpufft das Gesagte und derjenige, der sich emotional geöffnet hat, fühlt sich nicht gehört oder verstanden. In diesem Fall ist es sinnvoll, am Anfang auf einen neutralen Vermittler oder Coach zu setzen, der die Emotionen einfängt und hilft, dass diese verarbeitet und gehört werden.
Sind nur Frauen emotional?
In der Regel wird Frauen meist mehr als Männern nachgesagt, emotional zu sein. Das stimmt, aber alle Menschen werden durch Emotionen gesteuert. Viele Männer haben allerdings nicht gelernt, Emotionen freien Raum zu lassen bzw. sich zu trauen, Emotionen als Richtwert mit in den Berufsalltag einzubinden. Frauen bekommen das oftmals schon früh in die Wiege gelegt, dennoch gehört auch bei ihnen Mut dazu, sich zu öffnen.
Wir verfügen in der Führung stets über zwei Seiten: logisches, rationales Denken sowie Emotionalität. Bei manchen ist die erste bei anderen die zweite Seite ausgeprägter. Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe, die es schafft, beides in Einklang zu bringen – dass können sowohl Männer als auch Frauen sein. Dennoch tendieren viele dazu, weiterhin in Schubladen zu denken. Der Umgang mit diesem Schubladendenken ist mein tägliches Brot. Es wurde gesagt, dass Entwickler-Teams nicht in der Lage seien, über Emotionen zu sprechen. Ihre Arbeitssprache, die aus 0 und 1 besteht, würde sich auch verbal fortsetzen. Meiner Erfahrung nach ist genau das Gegenteil der Fall. Ist ein Mensch trainiert, mit der Diversität in unserem Mensch-Dasein umzugehen und diese zu nutzen, erfährt er, genau wie bei anderen Teams auch, ebenfalls die Wünsche, Bedürfnisse und Ziele jedes einzelnen. Es geht auch bei Entwicklerteams nicht mehr um die Sachlage, sondern um das, was zählt und das Unternehmen voranbringt: die Erfüllung von Bedürfnissen und die Umsetzung von Ideen.
Das passiert, wenn Emotionen positiv genutzt werden
Wenn Emotionen regelmäßig in einem vertrauensvollen Umfeld Raum bekommen, wirkt sich das positiv auf das gesamte Unternehmen und die Teams im Einzelnen aus. Es führt dazu, dass mehr Offenheit entsteht. Dadurch treten weniger Missverständnisse und Fehlinterpretationen auf. Zudem kehrt auch in hitzigen Situationen Ruhe ein. Für jeden einzelnen bedeutet das, dass sich mentale Gesundheit einstellt und eine Ausgeglichenheit herrscht, denn alles darf sein. In der Gemeinschaft findet eine Zusammenarbeit statt, bei der die Mitglieder sich auf ihre Arbeit konzentrieren und nicht auf das, was sie nicht ausdrücken dürfen oder können. Konflikte werden beseitigt. Ideen können fließen und genau dieser Freiraum schafft Platz für Innovationen. Wenn alles da sein darf, dann müssen sich die Mitarbeitenden nicht mehr darauf konzentrieren, etwas zu unterdrücken oder sich anders verhalten, wie eigentlich nötig. Jeder Einzelne gewinnt emotionalen Freiraum und somit innere Stärke. Das Team kann sich auf das Wesentliche fokussieren – das gemeinsame Fertigstellen der Arbeit und damit zufriedene Kunden.
Wenn Sie Emotion gezielt im Unternehmen nutzen möchten, um Stillstand zu beseitigen, die Eigenverantwortung zu erhöhen oder Teams stärker zu verbinden, dann lassen Sie uns gerne sprechen.